Das Prinzip der Reflexlokomotion sowie die Vojta-Therapie und –Diagnostik geht auf Prof. Dr. Václav Vojta zurück.
Prof. Dr. Vojta ist geboren am 12. 7. 1917 in Mokrosuky in Böhmen, Tschechische Republik. Er war Neurologe und Kinderneurologe und emigrierte im August 1968 von Prag nach Deutschland. Er arbeitete an der orthopädischen Uniklinik in Köln, sowie am Kinderzentrum in München und lehrte seit 1990 bis zu seinem Tod am 12. September 2000 wieder an der Karls-Universität in Prag
Die Entdeckung der Vojta-Therapie
Prof. Dr. Vojta hat die Grundlagen seiner Diagnostik und Therapie, das sogenannte Vojta-Prinzip, zwischen 1950 und 1970 entwickelt. Das Vojta-Prinzip setzt an der so genannten Reflexlokomotion an. Prof. Dr. Vojta beobachtete, als er eine Behandlung für cerebralparetische Kinder suchte, dass diese auf bestimmte Reize, in bestimmten Körperlagen mit wiederkehrenden motorischen Reaktionen an Rumpf und Extremitäten antworteten. Die Auswirkungen dieser Aktivierung waren verblüffend: die zerebralparetischen Kinder konnten danach zuerst deutlicher sprechen und im Laufe kurzer Zeit sicher Aufstehen und Gehen.
Anwendung des Vojta-Prinzips in der Therapie
Weil diese aktivierbaren Bewegungsmuster bei den Kindern mit einer spastischen Zerebralparese in ihrer Spontanmotorik nicht vorhanden waren, nun aber unvollständig, bei mehrfach wiederholter Auslösung, sich immer umfangreicher uns vollständiger aktivieren ließen, schloss Prof. Dr. Vojta daraus, dass es sich bei der infantilen Spastik um funktionelle Blockaden innerhalb der Bewegungsentwicklung handeln könnte.
Darauf aufbauend entwickelt er eine ganzheitliche Behandlung dieser Störungsbilder bei Säuglingen, Kindern und Erwachsenen: die Vojta-Therapie.
Reflexlokomotion – Grundlage der Vojta-Therapie
Durch therapeutische Anwendung der Reflexlokomotion können elementare Bewegungsmuster bei Patienten mit geschädigten Zentralennervensystem und Bewegungsappart zumindest in Teilbereichen – wieder erreicht werden, d.h. sie werden wieder zugänglich. Die Reflexlokomotionen werden auf reflexogenem Wege aktiviert. Reflex im Sinne der reflexlokomotion steht nicht für die Art der neuronalen Steuerung, sondern bezieht sich auf die von außen therapeutisch gesetzten Reize und deren definierte und immer gleich automatisch vorhandenen Bewegungsantworten.
Bei der Vojta-Therapie übt der Therapeut beim Patienten, der sich in Bauch- Rücken- oder Seitenlage befindet, einen gezielten Druck auf bestimmte Körperzonen aus. Solche Reize führen bei Menschen jeden Alters- Automatisch und ohne eigenen Antrieb, also ohne aktive willentliche Mitarbeit des Betroffenen, zu zwei Bewegungskomplexen:
-
-
- Dem Reflexkriechen in der Bauchlage und dem Reflexumdrehen aus Rücken- und Seitenlage.
-
-
-
- Das Reflexkriechen führt zu einer Art Kriechbewegung, während das Reflexumdrehen aus der Rückenlage beginnt und über die Seitenlage in den sogenannten Vierfüßlergang übergeht.
-
Bei der Reflexlokomotion kommt es zu einer koordinierten, rhythmischen Aktivierung der gesamten Skelettmuskulatur und zu einer Ansprache unterschiedlicher Schaltungsebenen des zentralen Nervensystems. Die in einer bestimmten Ausgangsstellung durch Druckreize ausgelöst, regelmäßige und zyklisch ablaufende motorischen Reaktionen sind bereits beim Neugeborenen vollständig auslösbar und beliebig oft reproduzierbar.
Alle motorischen Bewegungen, die beim Menschen in der Entwicklung vom Greifen, Umdrehen, Krabbeln, Aufstehen und Gehen erscheinen, werden damit sichtbar angesprochen. Sie sind –So Prof. Dr. Vojta – auch bereits bei Kindern im Stadium der Entwicklung vorhanden, in dem die Kinder diese Fähigkeiten spontan noch nicht besitzen.Durch therapeutische Anwendung der Reflexlokomotion werden beim Patienten die für spontane Bewegungen im Alltag benötigten- unbewusst eingesetzten — Muskelfunktionen, besonders an der Wirbelsäule , aber auch an den Armen und Beinen, Händen und Füßen sowie im Gesicht aktiviert.
Prof. Dr. Vojta nahm an, dass es beim Patienten durch wiederholtes Auslösen dieser „reflexartigen“ Bewegungen zu „Freischaltungen“ oder „Neubahnungen“ innerhalb funktionell blockierter nervlicher Netzwerke zwischen Gehirn und Rückenmark kommt.
Ziel der therapeutischen Anwendung der Reflexlokomotion
Durch die Anwendung der Reflexlokomotion sollen elementare Bestandteile der menschlichen Aufrichtung und Fortbewegung d.h.:
-
-
- Das Gleichgewicht des Körpers bei Bewegungen („Posturale Steuerung“)
-
-
-
- Die Aufrichtung des Körpers gegen die Schwerkraft
-
-
-
- Die zielgerichteten Greif- und Schrittbewegungen der Gliedmaßen („Phasische Beweglichkeit“)
-
Wieder zugänglich und nutzbar werden. Dadurch kann sich die Partizipation des Kindes an seiner Umwelt nachhältig verbessern.
Der Unterschied zu anderen Physiotherapie-Techniken und Methoden
Bei der Vojta-Therapiewerden nicht Bewegungsfunktionen, wie Greifen, Umdrehen vom Rücken auf den Bauch oder Gehen geübt. Vielmehr vermittelt die therapeutische Aktivierung der Reflexlokomotion einen Zugriff über das zentrale Nervensystem auf die für eine bestimmte Bewegung oder Handlung notwendigen, einzelnen Bewegungsteilmuster.
Nach der Vojta-Behandlung sind diese Teilmuster dem Patienten spontan verfügbar. Durch regelmäßige Wiederholung der im Gehirn gespeicherten „ Normalbewegung“ wird vermieden, Ausweichbewegungen zu trainieren. Diese wären in jedem Fall nur ein Ersatz für die eigentliche doch gewünschte „Normalbewegung“. Aktivierung vegetativer und anderer automatischer Reaktionen Mit der Reflexlokomotion können neben den „Großen „ motorischen Abläufen auch bestimmte Reaktionen wie:
-
-
- Blickwendung (Okulomotorik)
-
-
-
- Zungenbewegungen, Kieferbewegungen (Orofaziale Motorik)
-
Sowie vegetative Funktionen wie:
-
-
- Regulation von Blase und Darmfunktion
-
-
-
- Atmung
-
-
-
- Saugen und Schlucken
-
Aktiviert und beeinflusst werden.
Reflexlokomotion und ihre Beziehung zur normalen motorischen Entwicklung
Insgesamt erfassen die Teilmuster der Reflexlokomotion sämtliche Bausteine der motorischen Entwicklung des Menschen bis zum freien Laufen. Durch regelmäßige Vojta-Therapie geht man davon aus, dass es zu einer „Bahnung“ der Teilmuster im zentralen Nervensystem kommt, der aktivierte Zustand über die Therapie hinaus anhält und die Spontanbewegungen des Kindes/Erwachsenen positiv beeinflusst werden.
Nach der klinischen Erfahrung einem Patienten nach einer Aktivierung durch Reflexlokomotion eine viel umfangreichere-ja sogar normale- Körperhaltung zur Verfügung. Das bewirkt beim Patienten auch eine zunehmende emotionale Sicherheit, um sich mit der Umwelt auseinander zu setzten und Erfahrungen zu sammeln.
Die Vojta-Therapie im Kindesalter
Die Vojta-Therapie kann bei Säuglingen und Kindern gleichermaßen Angewandt werden. Die Indikation erfolgt aufgrund ärztlicher Diagnose und dem entsprechend formulierten Therapieziel.
Die besten Resultate werden erzielt, wenn sich beim Patienten noch keine sogenannten motorischen Ersatzmuster entwickelt und fixiert haben. Bei Patienten mit sich fixierender „Ersatzmotorik“ ist Ziel der Behandlung die Aktivierung und Erhaltung physiologischer Bewegungsmuster, darüber hinaus Rückführung und Integration nicht fixierter abnormer Bewegungsmuster in normale motorische Abläufe bis hin zur vollkommenen Beherrschung der willkürlichen Motorik.
Das Schreien des Säuglings in der Vojta-Therapie
Der therapeutisch gewünschte Aktvierungszustand äußert sich bei Säuglingen während der Behandlung oft durch Schreien. Dies führt bei Eltern verständlicherweise zu Irritationen und lässt sie vermuten, dass sie ihrem Kind weh tun, Schreien ist in diesem Alter jedoch ein wichtiges und adäquates Ausdrucksmittel der kleinen Patienten, die so auf ungewohnte Aktivierung und Anstrengung in der Therapie reagieren.
In der Regel ist nach einer kurzen Eingewöhnungszeit das Schreien nicht mehr so intensiv und in den Übungspausen sowie nach der Therapie beruhigen sich die Säuglinge direkt. Bei größeren Kindern, die sich sprachlich äußern können, tritt Schreien ebenfalls nicht mehr auf.
Kontraindikation der Vojta-Therapie
Die Vojta-Therapie darf nicht angewendet werden
-
-
- Akuten fieberhaften Infekten; bzw. entzündlichen Erkrankungen
-
-
-
- Nach Maßgabe des Arztes
-
Bei allen das Allgemeinbefinden einschränkenden Erkrankungen wird die Vojta-Therapie entsprechend der Belastbarkeit des Patienten kürzer durchgeführt, muss aber nicht ausgesetzt werden.
Dosierung und Übungsintensität der Vojta-Therapie
Die Reflexlokomotion ist eine äußerst wirksame, allerdings für Säuglinge und Kleinkinder auch ungewohnte und anstrengende Therapie. Wie viele andere Physiotherapien stellt die Vojta-Therapie beträchtliche Anforderungen an Eltern bzw. Bezugspersonen.
Damit die Vojta-Therapie erfolgreich ist, sollte sie beim Säugling und Kleinkind mehrmals täglich durchgeführt werden. Eine Therapieeinheit dauert zwischen fünf und zwanzig Minuten.
Aufgabe der Eltern bzw. Bezugspersonen
Da die Eltern bzw. Bezugspersonen die Therapie täglich mehrfach durchführen, kommt ihnen die entscheidende Rolle zu.
Anleitung und Durchführung
Neben der Grunderkrankung bestimmen Übungsintensität und Genauigkeit die Wirksamkeit und damit den Erfolg der Vojta-Behandlung. Nach der ärztlichen Untersuchung erstellt der Vojta-Therapeut ein individuelles Program und legt gemeinsam mit dem Patienten / Eltern die Therapieziele fest. Das Therapieprogramm wird dann in regelmäßigen Abständen der Entwicklung des Patienten angepasst. Die genaue Anleitung zur Durchführung der Vojta-Therapie durch die Eltern bzw. Bezugsperson erfolgt in der Regel unverzüglich, damit die Therapie zu Hause begonnen werden kann und so die notwendige Intensität der Behandlung gewährleistet wird. Unabhängig vom Alter wird der Patient regelmäßig dem Vojta-Therapeuten vorgestellt.
Die Vojta-Therapie im interdisziplinären Behandlungsteam
Prof. Dr. Vojta sah in der Verbesserung der automatisch gesteuerten Körperhaltung eine Grundvoraussetzung für eine Förderung von Erlebnisfähigkeit, Wahrnehmung, Sprache, Lernen usw. beim Patienten. So verbessert die Vojta-Therapie die Voraussetzungen für heilpädagogische, logopädische, ergotherapeutische und andere Therapiemaßnahmen. Die Vojta-Therapie hat so einen wichtigen grundlegenden Platz in interdisziplinären
Behandlungteams.
Untersuchungen zu psychischen Auswirkung der Vojta-Therapie
Die insbesondere von psychologischer Seite vermuteten, negativen Auswirkungen der Vojta-Therapie auf die sensomotorische Entwicklung und das kommunikative und soziale Verhalten der behandelten Säuglinge bzw. Kinder wurde von verschiedenen Autoren untersucht. Hierbei lag ein besonderes Augenmerk auf dem Vergleich zu nicht oder anders behandelten Kindern sowie deren Auswirkungen auf die Mutter-Kind-Beziehung. Diese Studien zeigten jedoch, dass aus psychologischer Sicht die VOjta-Therapie keine negativen Auswirkungen nach sich zieht, sondern sich vielmehr auch auf psychischer Ebene positiv auswirken kann.
Wer wendet die Vojta-Therapie und Diagnostik an?
Ein qualifiziertes Team von Lehrphsiotherapeuten und Ärzten, hat sich in der Internationalen Vojta-Gesellschaft e.V. ( IVG) zusammengeschlossen. Dieses Team, das teilweise noch von Prof. Dr. Vojta selbst ausgebildet wurde, bildet seit mehr als 40 Jahren auf der ganzen Welt qualifizierte
Vojta-Therapeuten und Ärzte aus.
Die Vojta-Therapie in der Praxis working motion wird durchgeführt von
Freda v. Heyden-Hendricks, Physiotherapeutin, Vojta-Therapeutin
Anamaria Coretchi, Physiotherapeutin, Vojta-Therapeutin, in der Ausbildung zur Lehrtherapeutin